Donnerstag, Februar 24, 2005

... all work and no play makes Jack a dull boy...

Ja, ich weiß, es wird langsam langweilig. Aber da ich Neuigkeiten vom BahnCard-Service habe, hier also noch ein Eintrag zu dem allseits geliebten Transport- und Logistikunternehmen. Es sind eigentlich zwei persönliche DB-Erfahrungen, die in den letzten zehn Tagen zusammenkamen, über die ich mich hier mit euch unterhalten möchte. 1.) Ich habe versucht, die BahnCard meiner Schwägerin , die diese durch einen aufgezwungenen Abo-Knebelvertrag zwar bezahlen soll, aber nicht nutzen kann, zu übernehmen. 2.) Ich habe ein Ticket storniert, das ich nicht genutzt habe.

Zu 1.) habe ich einen Brief erhalten, in dem es heißt, dass eine BahnCard weder zurückgegeben noch übertragen werden kann. Das ist wieder die absolut geile DB-Nicht-die-Kunden-sondern-wir-unsere-Mehdornheit-sind-die-Könige-Nummer: Stellen Sie sich vor, ich habe beantragt, dass ich die BahnCard von meiner Schwägerin übernehmen will, die ja immerhin neun Monate der BahnCard-Gültigkeitsdauer, das sind drei Viertel der Laufzeit, nicht nutzen kann. Der Bahn würde ja kein Schaden entstehen, wenn jemand anderes sie übernimmt, müsste sie ja damit rechnen, dass eine verkaufte BahnCard auch genutzt wird. Nein, Vorsicht! Wäre es nicht besser, wenn wir eine BahnCard verkaufen, und die nicht genutzt wird? Dann müsste der olle Schwager ja selbst eine BahnCard kaufen, dann machen wir doppelten Gewinn! Nein, liebe Bahn, der olle Schwager wird nun sicher gar keine BahnCard kaufen, er wird nie ein loyaler Kunde der Bahn werden, er wird von nun an versuchen, die Bahn zu bescheissen, wo es nur geht.

2.) Nachdem ich diesen Brief von der DB bekam, hat mir ein Geschäftspartner mitgeteilt, dass einer aus der Gruppe demnächst nicht kommen kann, und mich gebeten, ein Ticket zu stornieren. Zunächst gehe ich also an den Fahrkartenschalter der S-Bahnstation, wo mich ein DB-Angestellter auf dem Abstellgleis (bildlich) zum Schalter am Hauptbahnhof verweist. Schon traurig, wenn man nichts zu tun hat, und wenn dann plötzlich ein Kunde dasteht, man aber nicht die nötigen Befugnisse hat, seine Fragen zu beantworten. Ich gehe an den Hauptbahnhof, und auch da gerate ich zunächst an eine mittelalterliche Frau mit penetrant nordbadischem Akzent, die nicht befugt ist zu stornieren. Diese nimmt sich aber trotzdem heraus, die Tickets zu begutachten, um mir zu empfehlen, dass eine BahnCard sich da schon lohnen würde: "Sogar mit der BahnCard 25 würden Sie sparen." Ich reiße mich extrem zusammen: "Keiner von dieser Gruppe lebt in Deutschland.", darauf sie: "Ach, dann lohnt es sich natürlich nicht." FALSCH. Die Bahn gestattet nur Menschen, die in Deutschland wohnhaft sind, eine BahnCard zu bezahlen und zu nutzen. Es lohnt sich schon, nur geht es nicht. Egal, darum ging's nicht, und ich gehe weiter zum Schalter mit einem befugten Bahnangestellten. Dort hilft man mir weiter, aber die Rückbuchung ist am zweiten Tag noch nicht auf meiner Kreditkarte gutgeschrieben.
Ich leihe der Bahn Geld, wie geil. Ich leihe ihr Geld.

Freitag, Februar 18, 2005

Lacuna

Joel Barish: "Is there any risk of brain damage?"
Dr. Howard Mierzwiak: "Well, technically speaking, the operation is brain damage, but on a par with a night of heavy drinking. Nothing you'll miss."

(aus: www.imdb.com)

Vielleicht werden diese Blogs, die man täglich aufsucht, weil sie verbissen sind und insofern die Maßgaben der so genannten Obsessionskategorie erfüllen, in der Realität nicht von Menschen betreut, sondern von Programmen generiert, oder - gedanklich noch stärker dem Charlie Kaufmann-Aspekt des Lebens frönend, ohne es Hollywoodesk nach Schema "The Truman Show" paranoid zu übertreiben - sie stellen gar sozialpsychologische Experimente dar, in der die Wirkung der blöden, eindimensionalen Blogs auf Blogbesucher untersucht werden. Ich habe zwei solcher Blogs, die ich hier als feige Sau nicht verlinkt habe, die ich aber ständig aufsuche. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass diese Blogger / Generatoren / Sozialpsychologen einen neuen Eintrag präsentieren, die in mir immer die gleiche Reaktion auslösen: Jedes Mal darf ich mich aufs Neue aufregen, über Inhalt, Struktur, Sprache, Stil und sogar die Kommentare von anderen - reines Crack, baby.

Donnerstag, Februar 17, 2005

Als Alex seine Droogs wiedererkennt

Alex: "It's impossible! I can't believe it!"
Georgie: "Evidence of the ol' glassies! Nothing up our sleeves, no magic little Alex! A job for two who are now of job age! The police!"

(aus: www.imdb.com)

Jeder Kinofreund hat Bekanntschaft mit einigen von Stanley Kubrick's Werken gemacht, setze ich mal voraus. Eine Wortmeldung? Ja, ich sehe Sie, Sie brauchen nicht zu winken, ich habe Sie bereits gesehen... Mein Gott, Sie haben vielleicht gewaltige Hasenzähne. Nun, was wollen Sie? Mein Konzept für diesen Eintrag gerät durcheinander, wenn Sie mich unterbrechen. Also, stellen Sie bitte schnell Ihre Frage.

"Ich wollte nur sagen, dass ich ein paar Kubrick-Filme gesehen habe, und ich finde, dass er den Eindruck macht, als ob er sexuell frustriert sei?"

Ich weiß jetzt nicht, worauf die Dame anspielen möchte, aber mir schwant, dass sie sich beim Betrachen eines Kubricks nicht von ihren persönlichen Zwängen und Bedürfnissen befreien kann. Lachen Sie nicht, meine Herrschaften, lachen Sie nicht. Diese Dame zeigt die Grenzen auf, die Grenzen, die einem so akribisch arbeitenden Künstler wie Kubrick aufgezwungen werden, wenn seine ambitionierten Werke schließlich das Massenpublikum erreichen. Stehen Sie bitte noch einmal auf, meine Dame. Ich möchte, dass Sie wissen, dass wir Ihnen für Ihren Einwurf dankbar sind. Ja, klatschen Sie, ein Applaus für die Dame... Ordner, ja, führen Sie sie bitte hinaus. Danke.

"There was me, that is Alex, and my three droogs, that is Pete, Georgie, and Dim, and we sat in the Korova Milkbar trying to make up our rassoodocks what to do with the evening. The Korova milkbar sold milk-plus, milk plus vellocet or synthemesc or drencrom, which is what we were drinking. This would sharpen you up and make you ready for a bit of the old ultra-violence."

So, wo war ich stehen geblieben? Sehen Sie, das passiert, wenn man unterbrochen wird. Jetzt fällt's mir wieder ein: Mein Konzept für diesen Eintrag ist es, eine Szene, die bei mir nachhaltigen Eindruck hinterließ, noch einmal Revue passieren zu lassen, und versuchen zu erklären, warum es sich so verhielt. Bitte stehen Sie noch nicht auf, es kann durchaus interessant werden. Eingangs habe ich den Dialog gesprochen, aus "Clockwork Orange", den ich zum ersten Mal in Teenager-Jahren gesehen habe, und damals bedingt durch pubertär-maskuliner Verhaltensmuster aufgrund seiner Gewaltdarstellung supercool finden musste. Doch auch im Nachhinein hat dieser Film in geradezu traumatischer Weise eine besondere Stellung in meiner Cineasten-Trophäen-Sammlung (zu deutsch: Gesehen-hab'-Liste) eingenommen. Kubrick bringt uns in die Situation, sich mit der Gewalttätigkeit von Alex und seinen Droogs zu identifizieren, und sich angesichts des grausamen "Singin' in the Rain"-Überfalls zu amüsieren, bevor er es uns mit einem Griff in unser Eingeweide derb - aber ambivalent - heimzahlt. Während wir uns noch von unserem fröhlichen Hooligan-Dasein erholen, befinden wir uns bereits in "the real weepy and like tragic part". Immer wieder werden wir in unserer Hoffnung bestärkt, dass Alex doch noch eine Chance hat resozialisiert zu werden, und dass wir uns am Ende nicht so unwohl in unserem Gewissen fühlen müssen. Und immer wieder wird diese zerstört, mit Beginn der Ludovico Treatment Technique beschleicht uns allmählich die Gewissheit, dass die Handlung kein Entkommen zulassen wird, dass der Regisseur uns bis zum Ende virtuos quälen wird.

Entlassen vom Gehirnwäsche-Programm, muss sich Alex in der Welt draußen jedes Mal übergeben, sobald er sich gedanklich mit Gewalt oder Sex auseinandersetzt, wird von seiner Familie nicht wiederaufgenommen. Als er sich umbringen will, wird er von einem Obdachlosen entdeckt, einst Opfer der Droogs, der sich nun zusammen mit seinen Freunden an ihm rächt. Alex wird von zwei Polizisten gerettet, die sich als seine alten Freunde herausstellen, die ihn ebenfalls in die Mangel nehmen und ihn dann erschöpft bei einem anderen ehemaligen Opfer abliefern. Der anfangs zitierte Dialog entstammt der Szene, als Alex seine alten Freunde erkennt. Wie Alex wähnt sich auch der Zuschauer in Sicherheit, ein vertrautes Gefühl macht sich breit, vergessen scheint das unglückselige Schicksal des Resozialisierten, der Zuschauer wurde genug abgestraft für seine Identifikation mit der Ultraviolence der Droogs. Doch es geht weiter, denn wir wissen, dass noch nicht jedem Opfer die Gelegenheit geboten wurde sich an Alex zu rächen.

Kubrick's Kunst besteht in einer scheinbaren Ambivalenz, die den Zuschauer unwissend in eine Falle laufen lässt, die (Ambivalenz) dann nach einem klaren Schnitt in eine - auch nur scheinbar - eindeutige Stellungnahme, allerdings ohne Moralkeule, umgekippt wird, und der Zuschauer wieder in eine Falle gelockt wird. Auch wenn wir unseren "Helden", die Identifikationsfigur, verlieren, bleiben wir wundersamer bis zum Ende gebannt, und auch danach lässt uns der Film nicht los. Alex wird verurteilt, die Strafe ist grausam, und wir müssen die Strafe mit ihm durchleiden, doch zugleich findet eine Kritik an einem faschistoiden Polizeistaat statt, der mithilfe der Wissenschaft Kriminelle zu "heilen" versucht: Das Experiment scheitert bei Kubrick, im Gegensatz zur Romanvorlage von Burgess, angedeutet in der Szene von Alex' Wiedersehen mit seinen Droogs wie auch am Ende des Films - und wir müssen, aus dem Kinosessel entlassen, kräftig grübeln, für immer. Im Unterschied zu aktuellen Anti-PC-Regisseuren wie Tarantino, der am Anfang seiner Regie-Karierre zweifellos seinen Teil dazu beigetragen hat, dass sich in der allgegenwärtigen PC-Kinolandschaft plötzlich erzählerische Freiheiten auftaten - und in Filmen wie "Reservoir Dogs" ja auch Kubricks Werk von 1971 zitiert hat -, hat der britische Filmemacher nicht trotz moralischer Fehlerhaftigkeiten bis zum Ende sympathische Protagonisten und ein klares Ende bemüht, sondern den Zuschauer in 136 Minuten in jeder Hinsicht eines Halts beraubt.

Dienstag, Februar 15, 2005

Oh? Vielen Dank...

Montag, Februar 14, 2005

Fiktive Partybekanntschaften, 2. Teil

Ich traue meinen Augen nicht. Ist das nicht dieser Misanthrop, der mich auf einer Feier vor einigen Jahren angesprochen hatte? Er trägt nun einen struppigen Vollbart, aber seine Hornbrille und dieser nervöse Blick... Ja, jetzt bin ich mir sicher: Er sagte damals, dass dies meine letzte Party sein würde, und dass ich schon wüsste, was er damit meine. Er schien damals so überzeugt davon zu sein, dass ich einige Tage lang wirklich etwas verunsichert war. Danach traf ich ihn jedoch auf zahllosen Gelegenheiten, und ich machte mir einen Scherz daraus, ihn darauf hinzuweisen, dass es doch noch weitere Partys in meinem Leben gab. Darauf entgegnete dieser Mann, der mich jedes Mal nicht wiederzuerkennen schien, dass dies meine letzte Party sei.

Es sind jedoch einige Jahre vergangen, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Neulich erst habe ich mich mit meiner Frau über diesen Mann unterhalten und mich gefragt, was denn aus ihm wohl geworden sei. Mir ist dann erst bewusst geworden, dass ich wirklich gar nichts über ihn wusste. Nicht einmal seinen Namen. Irgendwie fand ich das traurig, denn obwohl die Gespräche etwas eigenartig Autistisches hatten, war ein kleines Ritual entstanden, wobei ich mir nie wirklich sicher war, ob er nicht doch mit mir seine Spielchen trieb und nicht umgekehrt.

Wie dem auch sei, nun steht er da, zehn Meter entfernt, mittendrin im Geschehen. Die Musik ist laut an diesem Abend, die Party im vollen Gange. Ich nehme mir vor, dieses Mal strategisch vorzugehen, um ihn nicht wieder an seine "letzte Party"-Routine zu verlieren. Ich tippe meine Frau an, die gerade mit ihren Freundinnen laut lacht, und unterrichte sie von meiner Entdeckung. Ich nehme mir ein Glas des köstlichen Getränks von dem Tablett des mürrischen Kellners, ein Praktikant im Betrieb des Gastgebers, und wühle mich durch die Menge.

Mir wird bewusst, dass sich zahlreiche Gäste um den Mann mit dem Vollbart herum versammelt haben. Ich höre nun seine Stimme, ohne zu verstehen, was er erzählt. Allerdings hat sie nicht mehr diesen paranoiden Klang, wie ich sie in Erinnerung habe. Es hat etwas Automatisches, etwas Künstliches, als ob er programmiert ist, in einem steten, monotonen Fluss zu reden. Ganz in der Nähe angekommen, bemerke ich nun weitere Unnatürlichkeiten. Jeder seiner Zuhörer scheint immer wieder auf dieselbe Art auf das Erzählte zu reagieren. Ein Mann in einem biederen Pulli wiederholt regelmäßig die letzten Worte eines längeren Abschnitts, um sich dann kichernd zusammenzukrümmen. Eine Frau im mittleren Alter, nach den unauffälligen Farben ihrer Kleidung zu urteilen eine Bibliothekarin, wiederholt immer wieder, dass sie genau dieselben Erfahrungen gemacht habe. Ein besserwisserischer Akademiker stimmt immer zu, um dann auf auf einen anderen Aspekt hinzuweisen, ohne jemals das Gespräch an sich zu reißen. Ein paar andere lauschen einfach bedächtig, und sehen ab und zu unsicher in die Runde, sie sind die Statisten in dieser Runde.

Ich stehe nun dicht beim inneren Kreis der Zuhörer, und beginne, einzelne Worte zu verstehen. Es ist nichts Weltbewegendes, was er erzählt, es ist sogar extrem langweilig. Trotzdem lausche ich, wie die anderen Zuhörer, gebannt auf die Erzählung. Er scheint Schriftsteller zu sein, und er schreibt darüber, dass er keine Ideen hat. Er zitiert ein frühes eigenes Gedicht. Er macht eine Ausführung über das komplexe U-Bahn-System, über das, so erweckt er den Eindruck, nur er und niemand anderes bescheid wisse. In mir breitet sich Wut aus. Warum dreht sich bei ihm alles um sich? Und weshalb gibt es Menschen, die so wenig Ironie in ihre Worte legen wie er? Dieser Mensch öffnet sich so wenig, dass sein Wesen sich doch dadurch darlegt. Und es scheint alles so vorhersehbar. Mir wird klar, dass er neue Dinge erzählt, die Erzählstruktur und gewisse Phrasen aber immer wiederkehren. Genauso wie die Reaktionen der Zuhörer sich laufend wiederholen. Es ist einfach todlangweilig, aber so... sicher. So sicher wie die Sonne aufgeht. Eine Geborgenheit darin, genau zu wissen, was als nächstes passiert. Als ob ich ein Schauspieler bin, und jede Saison im selben Stück den selben Part übernehme. Auch wenn ich nur ein Statist bin.

Freitag, Februar 11, 2005

Die Ausbildung bei Full Metal Jacket

Gunnery Sergeant Hartman: "I am Gunnery Sergeant Hartman, your senior drill instructor. From now on you will speak only when spoken to, and the first and last words out of your filthy sewers will be sir. Do you maggots understand that?"
Recruits: "Sir, yes sir!"
Gunnery Sergeant Hartman: "Bullshit I can't hear you. Sound off like you got a pair."
Recruits: "SIR, YES SIR!"

Dass die DB, im Gegensatz zu ihrer Selbstdarstellung, nicht pünktlich arbeitet und nicht für übermäßige Freundlichkeit bekannt ist, wird schon zahlreich dokumentiert. Dazu kommt die Einstellung, dass die Kunden ein Stück Dreck sind, die sowieso nichts kapieren, wie man aus den Lautsprecherdurchsagen in Bahnhöfen heraushört. "In wenigen Augenblicken trifft der IC XXX aus XXX ein." Was ist ein "Augenblick"? Was ist "wenig"? Wörtlich genommen könnten es sich vielleicht um zehn Sekunden handeln, in der ein noch unsichtbarer Zug an den Bahnsteig rasen und vor den Passagieren zum Halt kommen müsste - ohne Bremsweg. Also, was ist dann ein Augenblick? 2 Minuten? 5 Minuten? Eine Viertelstunde? "Wenige Augenblicke" sind so kurz, dass man nicht genug Zeit hat, um sich im Café aufzuwärmen, aber so lang, dass man sich bei Minus 15 Grad, die damals am Mannheimer Hauptbahnhof herrschten, sich einige der wichtigeren Körperteile abfriert: 30 Minuten! Auf einem Bahnsteig ohne Windschutz! Absolut geile Abhärtungsaktion! Wir sind alle Marines, und am Ende unserer Ausbildung. Wir hörten schon Seargeant Hartman sprechen, unseren Ausbilder:

"Today you people are no longer maggots. Today you are Marines. You're part of a brotherhood."

Das erfüllte uns mit Stolz, denn:

Gunnery Sergeant Hartman: "God has a hard on for Marines, because we kill everything we see. He plays His games, we play ours. To show our appreciation for so much power, we keep heaven packed with fresh souls. God was here before the Marine Corps, so you can give your heart to Jesus, but your ass belongs to the corps."

Die herumeiernden DB-Angestellten überspielten ihr Unwissen darüber, wie lange die wenigen Augenblicke dauern würden, mit einer Feindseligkeit, die einen vermuten lässt, dass die Angestellten die Kunden bezahlen, dass sie sich auf den Bahnsteig befinden dürfen.

Abgesehen also von Unpünktlichkeit, Unfreundlichkeit und einer negativen Einstellung der Angestellten darf ich nach langer Bahn-Abstinenz wieder die Breitseite des Transportunternehmens spüren. Meine Schwägerin hat sich eine BahnCard besorgt, die im Dezember auslief, da dachte sie sich, sie nutzt die Karte noch, um günstig ein paar Städte zu besuchen. Kurz vorher traf wohl die neue BahnCard ein, weil sie unwissenderweise, und weil es wohl gar nicht mehr anders geht, ein BahnCard-Abo unterschrieben hat. Sie wollte aber keine neue BahnCard, weil sie ab März nach Japan zurückfliegt, und sie die neue BahnCard ab dann nicht nutzen kann. Nun stellte sich jedoch heraus, dass die BahnCard nach Anlauf des ersten Gültigkeitstags nicht mehr zurückgegeben werden darf, und die 200 Euro für die neue BahnCard in Rechnung gestellt wird. Das ist so geil dreist: Jährlich kommen Tausende von Sprachschülern nach Deutschland, und da sie auch das Land erkunden wollen, weil sie sich ja für dieses Land interessieren, bereisen sie es. Dann kaufen sie sich eine BahnCard, um ein bisschen zu sparen, und es stellt sich heraus, dass sie erst kündigen müssen, damit sie die BahnCard nicht für ein zweites Jahr, in dem sie eventuell nicht mehr in diesem Land verweilen, kaufen brauchen. Da ist doch das Pferd umgekehrt aufgesattelt worden, alles scheint auf den Anbieter der Diensleistung zugeschnitten, nicht auf den Kunden: Wenn ich einmal eine Dienstleistung in Anspruch nehme, heißt das nicht, dass ich diese Dienstleistung ein zweites Mal in Anspruch nehmen werde. Für die Bahnseite geht diese Taktik auf: Wenn jemand eine BahnCard erwirbt, und sie läuft ab, dann kann es sein, dass er sich ein paar Wochen keine neue zulegt. Mit dem Abo wird diese Lücke der einnahmelosen Zeit geschlossen, ohne dass der Kunde beim Kauf über die Langzeitbindung aufgeklärt wird.

Im Geiste erklingen die liebevollen Worte unseres Ausbilders:

Gunnery Sergeant Hartman: "How tall are you, private?"
Private Cowboy: "Sir, five-foot-nine, sir."
Gunnery Sergeant Hartman: "Five-foot-nine, I didn't know they stacked shit that high."

(aus: www.imdb.com)

Sonntag, Februar 06, 2005

Spiegel, Nr. 6, 5.2.2005, Rubrik Pop

Am 02. Februar 2004 erscheint die Platte in England, drei Monate später erscheint der Titel in Deutschland. Nun, über ein ganzes Jahr später berichtet der Spiegel über die Scissor Sisters, "die als schrille Newcomer gefeiert" werden. Was mich nicht mal am meisten aufregt, ist das Unaktuelle, man musste ja schließlich das Jahr 2004 bis zum Ende abwarten, um Phrasen wie "eines der besten Werke des vergangenen Jahres" oder "In England (...) zum meistverkauften Album des Jahres 2004" auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfen zu können - hach, wir wussten eh schon im Frühjahr 2004, dass das der Knaller schlechthin wird, aber wir berichten erst nächstes Jahr darüber. Nein, abgesehen davon, dass dieser Artikel nicht mehr als ein Promotiontext minus Plattenfirmen-Promotiontext-Anglizismen ist, keinesfalls mit interessanten Einblicken in die Künstler protzt und per se wegen einem gut geschriebenen Text lesenswert ist, macht mich wütend, dass in der Spiegel-Redaktion der betreffende Redakteur anscheinend seine Ideen für Popkultur-Artikel in den Redaktionssitzungen nach Belieben durchsetzt, sich dabei aber nur selbst profiliert, ohne wirklich die Musik zu unterstützen. Es sind nämlich keine coolen, superexklusiven Interviews, es sind keine vielschichtigen Feuilleton-Plattenkritiken, es sind lediglich Erklärungstexte, grobe Positionierung eines Künstlers in einem leeren Popmusik-Universum, für den Oberstudienrat, geschrieben aus der Sicht eines Möchtegern-Spex-Schreibers. Es gibt nichts Langweiligeres.

Samstag, Februar 05, 2005

Unterhaltungsprogramm im Flughafen Schipol

Es ist erstaunlich: Eine holländische Frau befragt Passagiere, die am Gate warten. Sie pickt eine deutsche Reisende heraus, mittleren Alters, und wir werden Zeuge eines peinlichen Auftritts. Die Frage, ob sie englisch spreche, bejaht sie mit einem "Yes?!" - eine leichte Empörung in der Stimmlage, die sagen möchte, "Wollen Sie etwa behaupten, dass ich kein englisch kann?" inbegriffen. Aber gleich die nächste Frage stellt sich als problematisch heraus: "Is it ok to ask you a few questions for a survey?" Wie das Nahverkehrsnetz in einem Schneesturm kommen alle Bewegungen in den Gehirnwindungen zum Erliegen. Die Holländerin stellt dieselbe Frage nochmal. Ein gequältes "Ähh?" erhält sie als Antwort. Mich erinnert diese Frau an einen Hasen im Scheinwerferlicht. Einen ängstlichen, aber irgendwie dumpfen Ausdruck in den Augen, starrt sie ihr Gegenüber an, und man merkt, dass sie sich selbst gar nicht aus dieser Situation herausarbeiten kann. Keine Lösung wäre es, so wird mir klar, wenn ein anderer ihr das Wort "survey" übersetzen würde, da wäre ihr Stolzgefühl für immer verloren, und man würde sich nur Ärger einhandeln. Die Frage wird wiederholt. Und wieder dieselbe Reaktion. Das Ganze nimmt immer groteskere Züge an. Dann macht die Holländerin einfach weiter, mit der nächsten Frage. Spürbar die Erleichterung unter den unfreiwilligen Zuhörern.

Ach so, ich mache mich nicht über jemanden lustig, der kein englisch spricht, aber wenn man die Frage, ob man englisch spricht, bejaht, heisst das für mich, dass man auch eine Frage auf englisch stellen können dürfte, was denn etwas bedeute. Ich meine, diese Frau hätte es auch einfacher haben können, denn die Holländerin hat auch deutsch gekonnt.

Und auf die Fliegen durfte ich auch zielen.