Mittwoch, Juni 28, 2006

Aus dem Fenster gelehnt

Diese WM steht nicht gerade unter einem Außenseiterstern: Von den Häuflein Außenseiterteams, die sich in die zweite Runde durchgesetzt haben, ist nur noch die Ukraine vertreten, die allerdings den teuersten Spieler in ihren Reihen haben, und mit der Schweiz im Achtelfinale nicht auf einen Turnierfavoriten gestoßen sind, diese torlos nach 120 Minuten im Elfmeterschießen niederrangen. Bis auf die Ukrainer und die Portugiesen handelt es sich bei den sechs anderen genau um die sechs Nationen, die seit 1954 Weltmeister wurden. Ich muss nun mal die WM-Historie bemühen: Bei der letzten WM standen mit Spanien, Südkorea, Türkei, Senegal und den USA gleich fünf Teams im Viertelfinale, die noch nie Weltmeister waren. Wie schön und ersehnenswert!

Und daher nervt mich mehr sogar noch als das blöde ZDF-Entertainment-Programm um die WM derjenige am meisten, für den die WM zwar ganz nett ist, es bei der WM aber zu viele "Exoten" gibt, die er sich auch anschauen "muss", um sich dann darüber zu ärgern, dass das Spiel nicht so gut war. Und diese Gedanken, die dieser sich macht, was man besser machen könnte, z.B. nur noch 24 Teams und kein Spiel um Platz 3 - soviel eurozentrische Fußballchauvinisten-Panik verkraftet Leser kaum, und mündet nur im Gegenvorschlag, aus der WM eine EM mit zwei geladenen Gästen aus Südamerika zu machen. Dann ist gesichert, dass wieder eine Mannschaft Weltmeister wird, die es schon mal war, und gleichzeitig kann man sich anhand der Gäste das Etikett "Welt-" für die Meisterschaft abholen.

Über dieses Thema zu schreiben, ohne die Untiefen emotionalen Stumpfsinns auszulassen, ist schwer. Da meine Absicht doch aber unbestreitbar gut ist, bitte ich diesen Eintrag zu entschuldigen.

Dienstag, Juni 13, 2006

Überaus perfide

ist dessen Taktik, statt einfach anzuklopfen, eine kleine Tränengasbombe in die friedliche Ruhe zu werfen, bloß um eine Reaktion zu erzeugen: "Ist da jemand?", ertönt scheinheilig eine Stimme an der Tür, wohlwissend, dass der Addressat einige Sekunden verstreichen lassen muss, bis das agressive Gas verdunstet. Etwas Häme könnte ein misstrauischer Geist auch heraushören. Einige Augenblicke verstreichen, eine weitere kleine effektive Tränengasbombe kullert ins Haus, "Hallo? Akatsuki? Bist du zuhause?", folgt eine scheinbar besorgte Frage. Hat er soeben etwa ein leises Fluchen vernommen?

Er hat sich inzwischen an den aufreibenden Lebenswandel gewöhnt, insofern das überhaupt ging. Ein großer Anteil seines Tagesablaufs wird nunmehr von einem nationalen Transportunternehmen bestimmt, in deren Obhut er sich täglich für mehrere Stunden begibt. Es kommt schon einmal vor, dass er - hochkonzentriert mit geschlossenen Augen - seine Halsmuskulatur trainiert, ähnlich der Spezies, die sich - für den Beobachter immer wieder äußerst amüsant - im Kino gegen die unbändige Macht des Schlafes erwehren. Auch treibt dieser Lebenswandel wunderschöne Blüten, wie die Einschätzung Ecuadors als WM-Favorit. Unschön und überaus perfide allerdings dieser Drang, andere Menschen mit Tränengas auf einen aufmerksam zu machen.

"Der Zweck heiligt die Mittel", würde er sich rechtfertigen und abwiegelnd hinzufügen, dass es sich nicht um dasselbe Mittel handelt, mit dem Hundertschaften gegen Demonstrierer vorgehen. "Ach komm, das ist nicht viel stärker als wenn man eine Zwiebel schneidet." - ach, dann ist ja gut. Aber noch kommt es nicht zu einer friedlichen Auseinandersetzung, und eine gesunde Verarbeitung des Konflikts. Er steht immer noch am Eingang, kramt in den Taschen, wird fündig und sorgt mit einer zurückhaltenden Bewegung für Nachschub: Dieses Mal eine Stinkbombe. So sachte geworfen, dass das dünne Glas kaum zerbrechen würde, wenn es auf einen weichen Gegenstand trifft. Die kleine Stinkbombe fällt auf den kahlen Boden. Ein Gestank breitet sich aus. "Du bist doch zuhause, oder?", folgt nun - mit etwas mehr Sicherheit die Frage.