Freitag, November 26, 2004

"Ich werde Sie zwiebeln!"

Es ist dieses Jahr 15 Jahre her, und es könnte wirklich auch diese Jahreszeit gewesen sein, als der Lehrer des Deutschgrundkurses zu mir meinte, dass er mich zu „zwiebeln“ gedenke, wenn ich ihm dumm komme. Ich habe diesen Sprachgebrauch nie in Frage gestellt, auch wenn ich niemals wieder mit diesem Verb in Berührung gekommen bin. Ein eher banaler Anlass hat mich indes zum runden Jubiläum bewogen, das Wort in meinem Deutsch-Wörterbuch nachzuschlagen, und siehe da, ein Eintrag:

zwiebeln (V.t.; fig. Umg.) peinigen, bewusst ärgern [eigentl. „jmdn. zum Weinen bringen, als wenn er mit Zwiebeln umginge“]

Es ist ein umgangssprachliches Wort, und die erste Bedeutung "peinigen" ist wohl das, worauf der Deutschlehrer hinauswollte. Nun, da ich schon dabei war, habe ich das WWW nach diesem Sprachgebrauch abgesucht, das ist in der Infinitivform entmutigend, aber beim Suchbegriff „gezwiebelt“ ging das schon besser. Eine Site, die sich der Ruhrgebietssprache widmet, bietet einen anderen Sinngehalt:

zwiebeln leicht weh tun; besonders der erste Schmerz, wenn bei Hautverletzungen die Wunde mit einem Mittel desinfiziert wird ("In meine Jugend bin ich aufe Bergstraße immer versemmelt worden, voll auf den Zinken, und dat hat gezwiebelt!")

Auch auf ein Netz-Berlinerisch-Lexikon stieß ich, das aber dem Verb denselben Sinngehalt wie mein Wörterbuch zuordnete. Viele Internet-Autoren, die das Wort benutzten, schienen sich leicht außerhalb der genannten Definitionen zu bewegen, so auch hier diese Pressestimme zu einem „großen Gaudiabend“ in der bayrischen Provinz:


„(...) Markus Kolb hatte für den großen Gaudiabend seine Mannen noch mehr "gezwiebelt" als sonst üblich, so Vorstand Bernhard Gaßner, der sich über ein volles Haus, darunter beide Bürgermeister, freuen konnte. Genüsse, und zwar im kulinarischen und im kulturellen Sinn, kündigte Conférencier Gerd Haldenmayr dann an, denn tradtitionell gehört die erste Stunde der konzertanten Musik.“

Bayern halt. Während ich rätselte, was der Terminus hier meinte, stieß ich auf die Ahnenforschungs-Site, in der von „zwiebeln“ im militärischen Drill-Sinne gesprochen wird:

„(...) Auch hier konnte man ganz schön gezwiebelt werden, etwa beim Kutterpullen im „zwölfriemigen Linienschiffskutter“ („Reißt euch am Riemen, Ihr Jungs!“ aus dieser Ecke kommt dieser Ausdruck), oder, wenn man beim morgendlichen Unterricht in überheizten Kellerräumen eingeduselt war und zur Strafe mit einem kapitalen Stockanker auf dem Kreuz, den zwei Mann dem Delinquenten dorthin zu wuchten hatten, viertelstundenweise, fast bis zur Ohnmacht, in der Ecke stehen mußte. (...)“

Etwas vager und jeweils mit anderen Verben ersetzbar schien mir die Benutzung u.a. in einem Konzert-Review („Der Sound war ohne Frage geil und auch die Stücke recht genau gezwiebelt.“), einem Fußball-Forum („Wäre ich mal auf den Platz gestürmt, mir das runde Leder geschnappt und ab ins gegnerische Tor gezwiebelt!“), in Bezug auf Autofahren („Benz mit neuen Reifen ist ganz schön um die Ecken gezwiebelt!!!“) oder bei der Diskussion einer zwischenmenschlichen Beziehung („Ich hätte ihm ordentlich eine gezwiebelt!“).

Mir liegt es fern, eine Lanze für das Verb „zwiebeln“ und seinen richtigen Gebrauch zu brechen, ist es bei mir negativ belastet und hat sich einen Platz auf meiner Festplatte für schlechte Erinnerungen gesichert. Dennoch (habe ich meinen bis dato längsten Eintrag diesem Verb gewidmet und) sympathisiere ich ein bisschen mit der für mich am einleuchtendsten etymologischen Herleitung, „jmdn. Zum Weinen bringen, als wenn er mit Zwiebeln umginge“, auch noch mir begreifbar wäre das Zwiebeln im Sinne von „Schälen“, aber bei der Benutzung in einem Satz mit dem Gemüse Zwiebel selbst ist das natürlich unbrauchbar.

Mittwoch, November 24, 2004

Forget-me-not


Eternal Sunshine of the Spotless Mind

How happy is the blameless Vestal's lot! The world forgetting, by the world forgot. Eternal sunshine of the spotless mind! Each pray'r accepted, and each wish resign'd.

Nein, nicht noch eine späte Filmkritik zu "Eternal Sunshine of the Spotless Mind", nur eine kleine Abrechnung mit dem doofen deutschen Filmtitel "Vergiss mein nicht!". Was mag in den Köpfen von den Marketing-Managern bei Constantin Film vorgehen, wenn sie einen so wunderschönen Titel (Gedichtszeile von Alexander Pope, ein ganzer Vers wird im Film zitiert) gegen einen bieder-altbackenen Hier-steht-wenigstens-drauf-was-drin-ist-Titel austauschen? Es gibt doch auch "Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit" oder mainstreamiger: "Ich weiß was du letzten Sommer getan hast" oder abgefahrener "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs". Warum also nicht: "Ewiger Sonnenschein des ungetrübten Geistes", oder "Ewiger Sonnenshein", oder "Eternal Sunshine"? Zu gewagt? Warum dann aber nicht gleich "Vergiss mich!" statt diesen 50er Jahre-heile-Kinowelt konnotierenden "Vergiss mein nicht!". Ärgerlich ist auch die Vorstellung einer Konferenz, bei der Product- und Marketing-Manager den Entschluss fassen, den Titel "Vergiss mein nicht!" zu nehmen, in jeder Variante, ob der Findungsprozess nun lässig-simpel ausfiel ("Nehmen wir doch einfach etwas kürzeres"), oder Diskussionsschlachten mit dem Lizenzgeber gefochten wurden ("Glauben Sie uns, nur dadurch machen wir den Film zum Hit!"). Letztlich begebe ich mich auf das dünne Eis - wie passend! - der Diskussion, ob ein Hollywood-Film überhaupt künstlerisch sein kann, nicht nur ein Produkt der Massenunterhaltungsindustrie ist, ohne jeglichen Anspruch, oder es doch verdient hat, einen wohlüberlegten Titel zu erhalten, so lange er versucht aus dem Mainstream herauszubrechen. Wie unwahrscheinlich amüsant wäre es, wenn Gondry und Charlie Kaufmann einen zweiten Teil produzieren, den der deutsche Verleih dann konsequent "Vergiss mein nicht! 2" nennen müsste.

Montag, November 22, 2004

Kranwägen und zu was sie nützlich sind

So sollte man eine neue Woche immer beginnen. Firma dankt The Presurfer.

Sonntag, November 21, 2004

Danke, American Airlines

Noch ein Nachtrag zum Trip letzte Woche. Am Schalter von American Airlines in Frankfurt wurde ich länger als andere Fluggäste zu Sinn und Zweck meiner US-Reise befragt, auch wollte das ehrgeizige Sicherheitsmännchen wissen, wie ich meinen Lebensunterhalt verdiene (verdient habe), wo ich beschäftigt bin (war). Während der eine oder andere fettleibige US-Mensch vorbeigeschleust wurde, konnte ich mich glücklich schätzen, dass ich genug Zeit mitgebracht hatte, damit mein Gegenüber eifrig seine Pflicht erfüllen konnte. Nachdem ich meinen Boarding Pass schließlich in den Händen hielt, bemerkte ich, dass mir der Bodenpersonalkollege nur ein Ticket bis Dallas ausgestellt hatte, wo ich umsteigen sollte. Gewissenhaft erfragte ich den Flugschein, der mich weiter nach Los Angeles führen sollte, und ging zufrieden durch die Passkontrolle und weitere Sicherheitschecks. In Dallas begriff ich dann, dass ich den Weiterflug nach Los Angeles locker verpasst hätte, wenn ich dort mich hätte komplett auschecken und am Schalter ein Ticket nach LA ausstellen lassen, um danach die Sicherheitskontrollen zu bewältigen. Die zwei Stunden Aufenthalt haben denn auch nur gereicht, um gerade rechtzeitig den Anschlussflug zu erwischen. Denn American Airlines hatte mir noch eine Überraschung bereitet, in dem das Bodenpersonal Frankfurt wohl auf meinem Ticket vermerkt hat, dass sie mich bei der Einreise ruhig etwas mehr durchchecken dürfen als andere Fluggäste. Das sagte mir der Redneck von Sicherheitsmann, auf meine Frage "Do I look suspicious?" - "No, it's your airline who picked you up". Der anschließende Flug war übrigens überbucht. Danke, American Airlines, für die schöne Reise, danke, AA-Bodenpersonal in Frankfurt, ihr seid einsame Spitze. Wann immer es sich vermeiden lässt, ich werde die Gelegenheit ergreifen, eine andere Fluggesellschaft zu wählen.

Für Unterhaltung wurde während dem In-der-Schlange-stehen in Dallas übrigens gesorgt: Hinter mir hat eine hektische Frau mit extrem ausgeprägtem Deutschakzent versucht, ihre Wartezeit zu verkürzen: "My connection is going in only 40 minutes." Da aber alle anderen in der Schlange genauso wenig Zeit hatten, um den Anschlussflug zu erreichen, resignierte die Gute. Es blieb die Feststellung: "My (line) is always the slowliest!"


Sonntag, November 14, 2004

30 Stunden Reisezeit, 40 Stunden Aufenthalt


Nächtliche Sicht auf LAX, vom Hotelzimmer
Lohnt sich eine Reise, wenn die Reisezeit fast der Dauer des Aufenthalts entspricht? Im Falle einer touristischen Reise wohl nicht, die Wahrscheinlichkeit steigt jedoch mit der Geschäftsnatur des Aufenthalts. Eine Hilfe ist es darüber hinaus, an Bord den Film "Eternal Sunshine of the Spotless Mind" zu sehen, der in Deutschland den Titel "Vergiss mein nicht" trug. Außerdem war "Bourne Supremacy" (dt.: "Die Bourne Verschwörung") ordentlich, "King Arthur" unterer Durchschnitt, als US$ 160 Mio. teurer Tritt in die Weichteile erwies sich "Van Helsing". Interessante Beobachtung, die ich hier notiere, bevor ich sie vergesse: GIs erhalten bei American Airlines ein Upgrade und einen "Welcome home"-Schulterklaps.

Dienstag, November 09, 2004

Wie ein mit Kartoffelmehl und Semmelbrösel umhülltes, in heißem Fett gebratenes Stück Schweinefleisch

Unser Sohn, 16 Monate alt, hat mich mit seinem Schlafrhythmus, der eine Wachzeit zwischen 2 und 5 Uhr morgens vorsieht, aufgeklärt: Zu dieser Zeit laufen Musikvideos auf dem Musikvideokanal Music Television. Schaltet man tagsüber ein, landet man meistens bei Unterhaltungs-Shows wie die Untergang-des-Abendlands-Orgie "Dismissed" oder die "Big Brother"-Version mit amerikanisch-schönen Menschen, "Real World", zu nachmitternächtlicher Stunde werden also bisher nie gesehene Videos von den Beastie Boys oder Kings of Leon ausgestrahlt. Da waren sie geblieben, wenn auch nur punktuell und spärlich rationiert, die Sorte von Videoclips, wegen denen man mit 16 nicht mehr loskam von MTV.

Letztere Band war in jedem größeren aktuellen deutschsprachigen Musik-Magazin präsent und erhielt gute Kritiken. Sogar das FAZ-Feuilleton von vergangenem Samstag widmete Kings of Leon einen ausführlichen Bericht - was eigentlich bedenklich ist. Beim Print-Spiegel machen wir die Erfahrung, dass der zuständige Popkultur-Beauftragte, der sich die britische Musikpresse genau zu Gemüte führt, und die eine oder andere Band wohlwollend mit einem jubelnden Einseiter "belohnt", eigentlich mit einer noch so positiven Kritik allein aufgrund der redaktionellen Präsenz die Musiker abstraft - mit einem Artikel im Spiegel oder sonstigen nicht-musikspezifischen, auflagenstarken Printmedien fühlt sich der Musikliebhaber um sein Insidertum betrogen, er kennt die dort vorgestellten Künstler nicht mehr als Einziger, sondern muss sich sein Geheimwissen, teuer angeeignet durch die eifrige NME-Lektüre oder Internetradio, mit dem jungebliebenen Studienrats-Publikum teilen (Von der Punktebewertung auf Spiegel-Online, in der scheinbar immer vier von fünf Plattenrezensionen von einer Person stammen, rede ich hier nicht). Warum diese Bands, die zweifellos zum Spannendsten gehören, was die Popmusik aufbietet, kaum auf Musikkanälen präsent sind - Ausnahme bleibt diese Sendung, wobei die Produzenten hier ruhig 80% der Moderation einsparen könnten gegen eine Viertelstunde Musik mehr pro Stunde - erschließt sich mir nicht ganz, doch deutet alles auf den Siegeszug der Marketing-Abteilung hin. Eine MTV-Moderatorin hat den Geisteszustand der Un-Popkulturvehikel dieser Nation auf den Punkt gebracht: "Ich freu' mich wie ein Schnitzel".

Donnerstag, November 04, 2004

Verstoßen vom Planeten der Affen

Zahlreich tümmeln sich Blogs im deutschsprachigen Netz, die Bush' Wiederwahl kommentieren, ansonsten aber apolitisch ("Ich war gestern auf einer geilen Party!"-Einträge meets "Heute kam meine amazon-Lieferung an *froi*") sind. Die US-Wahlen haben ja auch Popkultur-Charakter, und vielleicht gibt es auch hierzulande viele anglophile Menschen, die den Wahlkampf zusammen mit Freunden und einem Kasten Bier am Fernsehen verfolgt und Wetten zum Wahlausgang abgeschlossen haben.

Nicht neu ist die Gleichung des wiedergewählten Präsidenten mit Affen. U.a. Curious George dient als Satire-Vehikel, worunter aber die sympathische Originalfigur leiden muss, natürlich meine ich damit den Cartoon-Affen. Die Feststellung, dass Bush vom Planet der Affen abstammt, existiert schon lange, doch der Vergleich hinkt: Bekanntlich landet Charlton Heston alias George Taylor auf einem Planeten, der sich nur scheinbar fern von der Erde befindet, nämlich auf der Erde selbst in ferner Zukunft, zerstört von den Menschen, übernommen von den Affen, den besseren Menschen. Bush hat bisher als gefährlicher Sturkopf bekanntlich den Menschen in all seiner schlechten Pracht gegeben, war das böse Ende der Nahrungskette, doch mit dem Primaten-Look. Nach der Planet der Affen-Zeitrechnung vermutlich ein "später Mensch", kein Affe.

Cornelius: [reading from the sacred scrolls of the apes] Beware the beast man, for he is the Devil's pawn. Alone among God's primates, he kills for sport or lust or greed. Yea, he will murder his brother to possess his brother's land. Let him not breed in great numbers, for he will make a desert of his home and yours. Shun him, for he is the harbinger of death.
[aus: imdb]