Donnerstag, Dezember 02, 2004

Fiktive Party-Bekanntschaften

Wir waren froh, dass wir einen Babysitter für diesen Abend gefunden haben. Schließlich kommen wir nicht oft unter Menschen, und die Einladung zu dieser Party kam uns gelegen. Ich genoss die laute Musik, die großzügig starken Cocktails, die vielen fröhlichen Menschen. Während sich meine Frau mit einer Freundin unterhielt, lehnte ich mich zurück, mit dem Rücken an die Bar und ließ alles auf mich wirken.
"Das ist Ihre letzte Party.", sagte der Fremde.
"Wie bitte?", fragte ich erstaunt.
Er ließ seinen Blick über die anderen Partygäste schweifen: "Nun, Ihnen ist doch sicher aufgefallen, dass Sie, wie die anderen in diesem Raum, Anfang bis Mitte Dreißig sind."
Ich sah mir die ausgelassen feiernden Leute an. "Ja, das mag sein. Ich habe nicht darüber nachgedacht... aber jetzt, da Sie es erwähnen... "
Der Fremde wandte sich wieder mir zu, Mir fiel auf, dass er selbst ein paar Jahre über dem Altersschnitt lag. Er schob seine Hornbrille auf dem Nasenrücken hoch: "Ja, verstehen Sie denn nicht? Das ist Ihre letzte Party! Genau wie für die anderen Anwesenden."
Langsam wurde mir dieser Mann etwas unheimlich. Was hatte er vor? Hatte er im Raum einen Sprengsatz deponiert? Oder war er ein Verschwörungstheoretiker? "... und wie kommen Sie auf diesen Gedanken?"
"Ha! Ich glaube, Sie wissen, was ich meine. Ich habe schon genug geredet.", entgegnete er höhnisch. Seine Stimme klang dabei so, als ob er einen uralten Trick durchschaut hätte. Ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, ging er weiter, zu einem anderen Partygast.
Später fragte ich den Gastgeber, wer denn dieser merkwürdige Herr sei? Er sagte, er kenne ihn nicht, vielleicht hat ihn ein Bekannter mitgebracht. Sein erster Satz ließ mich nicht in Ruhe. Sollte er Recht behalten? Meine Frau scherzte, als ich ihr das erzählte: "Vielleicht fand er die Party so schlecht, dass er uns alle den gesellschaftlichen Tod prophezeite?" Vielleicht war es das, dachte ich, und vielleicht verbarg sich hinter der akademischen Hornbrille ein Szenenguru, der über das Nachtleben in dieser Stadt berichtet.
Auf der nächsten Party begegnete ich ihm wieder.
Ich war fast ein bisschen erleichtert und sprach ihn an: "Na, wie geht es Ihnen!?"
Der Fremde schien mich aber nicht mehr wiederzuerkennen. Er schob sich seine Hornbrille an seinem Nasenrücken hoch: "Das hier ist Ihre letzte Party."